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Vortrag über die Marktleuthener St. Nikolaus-Kirche am 28. Februar
2009
Rund 20 Interessenten waren der Einladung der Evang.-Luth. Kirchengemeinde
und des Arbeitskreises für Heimatforschung Marktleuthen gefolgt,
um sich von Harald Stark über die Geschichte und wertvolle Ausstattung
der Marktleuthener St.-Nikolauskirche informieren zu lassen. Am Anfang
des Vortrages stand ein Foto des in der nördlichen Außenwand
des Langhauses eingemauerten Kreuzsteins, dessen als
derbes Relief ausgearbeiteter Korpus im sogenannten Viernageltypus dargestellt
ist. Damit ist dieses älteste Steindenkmal Marktleuthens der Romanischen
Stilepoche und der Zeit um 1200 zuzuweisen. Zugleich beweist dieser
Kreuzstein, der vielleicht einst im Zentrum eines Altars gestanden hat,
dass es damals in Marktleuthen bereits eine christliche Andachtsstätte
gegeben haben muss.
Die erste urkundliche Erwähnung der Kirche fällt
ist Jahr 1368, gut hundert Jahres später, und zwar 1486, ist erstmals
vom St.-Nikolaus-Patrozinium die Rede. Zwei der vier verheerenden Marktleuthener
Stadtbrände haben auch das Gotteshaus betroffen. Vom ersten Brand
im Jahr 1577 wissen wir nur, dass damals innerhalb von nur zwei Stunden
der ganze Markt samt Kirche, Pfarr-, Schul- und Rathaus ein Raub der
Flammen wurde. Über die Schäden, die der zweite Großbrand
von 1641 an der Kirche anrichtete, sind wir besser informiert, denn
die älteste im Archiv des Marktleuthener Pfarramtes erhalten gebliebene
Gotteshausrechnung berichtet, dass damals die Kirche zusammen mit vier
schönen Glocken, der Kanzel, dem Altar und dem Uhrwerk vom Feuer
verzehrt worden ist. Der furchtbare Brand, der in Marktleuthen 71 Wohnhäuser
und zahlreiche Nebengebäude vernichtet hat, war am 4. April 1641
über den Markt hinweg gefegt. Gegen Jahresende war die Kirche schon
wieder unter Dach, zu ebener Erde war bereits das Gestühl aufgestellt,
für die Gottesdienste stand ein provisorischer Altar zur Verfügung
und der Pfarrer konnte von einer neuen Kanzel predigen. So groß
war der Glaube und die Gottesfurcht der Marktleuthener damals, dass
sie noch bevor sie mit dem Wiederaufbau ihrer eigenen Wohnungen begannen,
ihr Gotteshaus wieder errichtet hatten.
Fast vergessen ist es, so erzählte Stark, dass die Kirche bis zum
Ende des 18. Jahrhundert über einen dreiseitig geschlossen Chorraum
verfügte, dessen Wände und Gewölbe der Selber Bürgermeister
Andreas Grembs 1664 mit Fresken hatte schmücken lassen. Als man
sich 1790 für die Anschaffung einer neuen Orgel entschied, musste
mehr Platz für die Aufstellung derselben gewonnen werden. Deshalb
wurde der alte Chor damals abgebrochen und das Kirchenschiff um rund
3,60 Meter nach Osten erweitert.
Durch die 1895 unter Pfarrer Schneider durchgeführte
Renovierung verlor die Kirche ihre doppelgeschossige
barocke Emporenanlage, von der allein sechs allegorische Gemälde
aus den vom Marktleuthener Maler Matthes Gebhardt bemalten Emporenfüllungen
sowie das Wappen des Markgrafen Friedrich, das früher an der ebenfalls
vorhanden gewesenen Fürstenloge angebracht war, übrig geblieben
sind. Leider wurden diese Bilder nach der letzten, im Advent 1988 abgeschlossenen
Kirchenrenovierung, nicht wieder in der Kirche aufgehängt. Auch
der manieristische Altar - heute ein Schmuckstück in der Marktleuthener
Kirche - wurde damals aus dem Gotteshaus entfernt und durch einen vom
Regensburger Kunsttischler Johann Baptist Kohlhaupt geschaffenen Altar
ersetzt. Dieser blieb jedoch nicht sehr lange in der St. Nikolauskirche,
denn schon im Zuge der von Pfarrer Unger 1935 durchgeführten
Kirchenrenovierung, durch die das Marktleuthener Gotteshaus
weitgehend seine heutige Gestalt erhielt, kam der alte, zwischenzeitlich
auf dem Pfarrhausdachboden verstaut gewesene Altar wieder zu Ehren.
Der 1895 gefertigte Altar kam nach 1945 nach Thierstein, wo er auch
heute noch steht.
Das Herz unseres Marktleuthener Altars ist das 1643
vom Marktleuthener Bürger Johann Erhard Buchta gestiftete Altarbild,
welches das letzte Abendmahl Christi darstellt. Der sich in Form einer
Säulenädikula präsentierende Altaraufbau wurde wohl 1667
gefertigt. Die aus kräftig geschnitzten und vergoldeten Akanthusranken
modellierten Flügel zu beiden Seiten des Altars, sowie der filigran
geschnitzte Altarauszug, sind Werke des Marktredwitzer Bildhauers Johann
Knolle aus dem Jahr 1701. Die Dreifaltigkeits-Darstellung im Zentrum
des Altarauszuges ist wohl dem Marktleuthener Maler Matthes Gebhardt
zuzuschreiben.
Ein besonderes Kleinod besitz die Marktleuthener Kirche auch in Form
ihrer Kanzel. Ihr Schöpfer, der Egerer Kunsttischler
Erhard Eck in Eger, gilt als Begründer der Egerer Reliefintarsienkunst.
Unser Predigtstuhl und ein prachtvoller Renaissance-Schrank aus dem
Schloss Röthenbach bei Arzberg sind die einzigen von ihm überlieferten
Kunstwerke. Dabei ist es kaum zu glauben, dass unsere Kanzel gewissermaßen
ein Ladenhüter gewesen ist. Wie die aus schwarzem Holz eingelegte
Inschrift am Gesims des Kanzelkorbes zeigt, hatte sie Erhard Eck 1617
für einen unbekannten Auftraggeber geschaffen, jedoch nie ausgeliefert.
Ecks Söhne Peter und Adam, ebenfalls Kunsttischler, schenkten das
liegen gebliebene Prachtstück den Marktleuthenern 1641 für
ihre abgebrannte Kirche. Nur das bloße Holz wollten sie ersetzt
haben und erhielten dafür 1 1/2 Kubikfuß Bretter und 8 Blöcher.
Die Felder des Kanzelkorbes zeigen die farbig gefassten Reliefs der
Evangelisten Matthäus und Markus, den Erlöser Christus, die
Evangelisten Lukas und Johannes sowie den Apostel Paulus. Besonders
ausgefallen ist jedoch der Schmuck der Kanzelstiege, denn hier zeigen
sich mit Polymnia, Melpomene, Erato und Terpsichore die griechischen
Musen der Hymnendichtung, der tragischen Dichtung, der Lyrik, des Gesanges
und des Tanzes. Es präsentieren sich also vier Heidengöttinnen
in einer protestantischen Kirche!
Ein weiterer Blickfang im Bereich um den Altar ist der 1780 vom Bayreuther
Bildhauer Franz Schuh geschaffene Taufengel. Wie der
Referent zu berichten wusste, schwebte der Gottesbote einst an einem
Seil unter der Decke. Das seit 1935 verkittete Loch im Scheitel des
Engels enthielt einst die zur Befestigung des Strickes notwendige Öse.
Nur zum Taufakt wurde der Engel zu Boden gelassen und hielt dann dem
Pfarrer und der Gemeinde die 1780 von Georg Purucker gestiftete zinnerne
Taufschüssel entgegen.
Wie schon vor der Umgstaltung von 1895 bilden seit 1935 Altar, Kanzel,
Taufengel und Orgel vor den Augen der im Gotteshaus
versammelten Gemeinde wieder eine liturgische Einheit. Die Königin
der Instrumente, die heute den Gesang in der Marktleuthener Kirche begleitet,
stammt - zumindest was das Prospekt angeht - aus dem Jahr 1791. Die
Orgel war ein Werk des Bayreuther Hoforgelmachers Georg Ernst Wiegleb;
die Zierate am Gehäuse fertigten jedoch der einheimische Schreinermeister
Egidius Salomon Purucker und der Bildhauer Johann Conrad Sengenberger
aus Schwarzenbach an der Saale. Das heutige Innenleben des Instruments
schuf die Orgelbaufirma Steinmeier allerdings erst im Zuge der letzten
Kirchenrenovierung 1988.
Eine weitere Besonderheit der Marktleuthener Kirche ist laut Stark der
Umstand, dass sie zwei übereinander liegende Kirchendecken
hat. Nach dem Brand von 1641 erhielt das Gotteshaus eine "Kornährendecke",
wie sie etwa noch in der Kirche in Schönbrunn bei Wunsiedel oder
in der Weißenstädter Friedhofskirche zu sehen sind. 1666
erhielt diese Decke eine Dekoration mit gemalten Engelsköpfen,
Blüten und Pflanzenornamenten. 1718 wurde vor diese Kornährendecke
die jetzt noch sichtbare Felderdecke mit 24 Szenen aus dem Neuen Testament
montiert. Je zwölf dieser in Holzrahmen gespannten Ölgemälde
auf Leinwand schufen der Marktleuthener Bürgermeister und Metzger
Matthes Gebhard und der Kirchenlamitzer Bürgermeister und Kunstmaler
Johann Jacob Radius. Der eine malte große Figuren mit wenig Hintergrund,
der andere komponierte kleinfigurige Szenen in weite Hintergründe.
Zum Schluss seines rund anderthalbstündigen Vortrages berichtete
Stark noch über seine eigenen Erlebnisse bei der letzten Kirchenrenovierung
in den Jahren 1987/88. Bei der Entfernung des Wandverputzes
waren sowohl innen als auch außen an der Kirche vermauerte Türgewände
zum Vorschein gekommen. Beim ausbaggern des Kirchenraumes stießen
die Bauarbeiter nicht nur auf zahlreiche Gräber, deren Gebeine
größten Teils in einer Pappschachtel vor dem Altar wieder
zur letzten Ruhe gebettet worden, sondern auch auf eine große
Marmorgrabplatte, die heute auf dem Friedhof zu bewundern ist. Im Boden
der heutigen Sakristei kamen auch die Fundamente des 1790 abgebrochenen
Chores zum Vorschein. Einen Höhenpunkt der Renovierung bildete
der Austausch der morschen Turmlaterne. Die von den Zimmerleuten in
Zusammenarbeit mit einem riesigen Autokran vollbrachte Meisterleistung
hatte seinerzeit zahlreiche Schaulustige auf dem Marktplatz versammelt.
Harald Stark
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