Die diesjährige Busfahrt des Arbeitskreises für Heimatforschung
Marktleuthen hatte die für viele Exkursionsteilnehmer recht
unbekannte Gegend südlich von Marienbad um Mies und Tachau
zum Ziel. Ein mit 54 Personen voll besetzter Bus passierte bei
Schirnding die Grenze zur Tschechischen Republik, um unter der
bewährten Leitung von Helmut Hennig auf den Spuren der Herren
von Schwanberg das Gebiet der Choden, der bis heute geheimnisumwitterten
böhmischen Königsbauern, kennenzulernen.
Bei Kuttenplan (Chodova Plana) begann einst das
Gebiet der Choden, welches sich nach Süden, bis in die Gegend
um Taus ausdehnte. Die Choden - die Bezeichnung
leitet sich vom tschechischen Grundwort "chodit" ab,
was "umhergehen" oder "patroullieren" bedeutet
- waren in dieser Region als Grenzgänger, als Bewacher der
böhmischen Grenze angesiedelt worden. Sie sollten das Land
verteidigen, aber auch Geleitdienste übernehmen. Das erste
Ziel, die Burgruine Schwanberg (Švamberk),
war nach einer fünfzehnminütigen Wanderung schnell erreicht.
Hier waren die seit dem frühen 13. Jahrhundert nachweisbaren
Herren von Schwanberg ansässig, welche Infolge ihrer guten
Beziehungen zu den Premysliden, bald eine bevorzugte Position
in Böhmen einnahmen. Ihre Entscheidung für das Luthertum
führte sie in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges
dem politischen Untergang entgegen. 1644 verwüstete ein verheerender
Brand, welcher beim "Küchlabacken" ausgebrochen
war, das Schloss. In dessen Ruinen errichteten die Schwanberger
nach dem Westfälischen Frieden eine Kirche, unter deren Chor
das Familienbegräbnis eingerichtet wurde. Von der eigentlichen
Burg blieben allein der Stumpf eines runden Turmes mit den anstoßenden
Mauern des ehemaligen Palasbaues sowie einige höher aufragende
Mauerreste im Bereich der Vorburg übrig. Das gesamte Burgareal
ist heute mit üppiger Vegetation überwuchert, die Kapelle
sowie der gesondert davor errichtete viereckige Glockenturm sind
heute nur noch Ruinen. Die Gruft der Schwanberger unter dem Chor
der Kirche wurde aufgebrochen und beraubt, alle Einrichtungsgegenstände
des Gotteshauses sind verschwunden. In der Außenmauer des
Kirchengebäudes ist eine interessante Spolie in Form des
Oberteils eines Türsturzes mit dem Wappen der Schwanberger
eingemauert. In jüngster Zeit wurde das Dach der Kirche erneuert
um dem weiteren Verfall vorzubeugen.
In Mies (Stribro) wurde das wunderschöne
1543 errichtete und mit herrlicher Sgraffito-Wandmalerei verzierte
Rathaus bewundert. Eigentlich sollte ein Besuch des im ehemaligen
Minoritenkloster untergebrachten Heimatmuseums ebenfalls auf dem
Programm stehen, leider erfuhren wir erst jetzt, dass diese Einrichtung
nur am Nachmittag geöffnet hat. Nach dem Mittagessen fuhren
wir zu dem um 1115 unter den Herzögen Svatopluk und Vlasidlav
I. gegründeten ehemaligen Benediktinerkloster Kladrau
(Kladruby), Vladislav wurde nach seinem Tode 1125 in
der Klosterkirche beigesetzt. Nach dem Lösen der Eintrittskarten
erhielten wir eine überaus fundierte und originelle Führung
durch eine egerländisch sprechende deutschstämmige Tschechin.
Sie führte uns zunächst durch die überwiegend mit
Barockmobiliar eingerichteten Privatgemächer des Abtes. In
der ursprünglichen romanischen dreischiffigen Basilika wurden
wir dann mit der wohl einmaligen sogenannten "Barockgotik"
konfrontiert, in welche die Kirche durch einen großzügigen
Umbau in den Jahren 1712 bis 1729 unter der Leitung des Architekten
Johann Santini gehüllt worden war. Kaiser Joseph II. säkularisierte
das Benediktinerkloster, um 1835 wurde das gesamte Klosterareal
von Fürst Alfred von Winischgräz erworben. Seine Nachkommen
wohnten hier bis 1945. Über Haid (Bor), wo ebenfalls fast
600 Jahre lang die Herren von Schwanberg herrschten, gelangten
wir nach kurzer Busfahrt nach Pfraumberg (Primda).
Vom Ort Pfraumberg ging es in einem etwa halbstündigen Fußmarsch
hinauf zur gleichnahmigen Burgruine, die in Lage und Aussehen
etwas an unseren fichtelge-birgischen Epprechtstein erinnert.
Im Jahre 1035 war hier Premys-lidenherzog Jaromir ermordet worden,
indem "ein Mitglied der offenbar noch immer mächtigen
Sippe der Wrschowetze den blinden Jaromir durch einen Diener von
hinten durchbohren ließ, als dieser auf dem Aborte saß".
Diese schauerliche Szene hatten wir alle vor Augen, als wir den
noch wohlerhaltenen "Abort" neben dem ehemaligen Wohnturm
besichtigten.
Ihren Abschluß fand unsere Tagesfahrt in Tachau
(Tachov), wo wir uns von Herrn Spotka durch die Altstadt
führen ließen. An die Aufgabe der Stadt, als Grenzfestung
des Königreichs Böhmen zu dienen, erinnert die in weiten
teilen gut erhaltene mittelalterliche Stadtmauer von Tachau. 1427
besiegten die Hussiten bei Tachau ein "Kreuzfahrerheer",
am 11. August dieses Jahres wurde die Stadt von den Hussiten gestürmt,
die außerhalb der Stadtmauern gelegene Burg fiel drei Tage
später in die Hände der Belagerer. Das an Stelle dieser
alten Burg errichtete Schloß wurde in den Jahren 1784 bis
1810 in klassizistischem Stil gestaltet. Im 19. Jahrhundert diente
auch Tachau als Residenz des Fürsten Alfred von Windischgräz,
der als Feldmarschall in den Jahren 1840 bis 1848 das Militärkommando
in Böhmen führte und für die blutige Niederwerfung
des Prager Pfingstaufstandes im Jahre 1848 verantwortlich war.
Im Oktober desselben Jahres hatte er das revolutionäre Wien
belagert und nach der Einnahme ein drakonisches Regiment über
die Stadt geführt, unter dem zahlreiche Revolutionäre
hingerichtet wurden.
Einen gemütlichen Ausklang fand der erlebnisreiche Tag im
Tachauer Vereinshaus, wo süffiges Bier und deftige Brotzeiten
serviert wurden. Einige Unentwegte machten sich noch auf, um nach
einer etwa halbstündigen Wanderung den kleinen Ort Heiligen
(Svetce) zu erreichen. Dort hatte Feldmarschall v. Windischgräz
1857 eine Reithalle - die größte in der k. k. Monarchie!
- erbaut. Das ehemalige Paulanerkloster dort wollte er zu einem
Schloß umbauen lassen. Der Umbau wurde jedoch nicht vollendet,
worauf die Kirche des Paulanerklosters mit den sie umgebenden
begonnenen Schloßgebäuden dem Verfall preisgegeben
wurden. Die im Stile des Klassizismus errichtete Reithalle ist
inzwischen ebenfalls stark verfallen, doch wurden bereits Maßnahmen
zu deren Erhaltung ergriffen.
Harald Stark
Weitere Exkursionen
des Arbeitskreises für Heimatforschung Marktleuthen im Fichtelgebirge
|