Arbeitskreis für Heimatforschung Marktleuthen

Busexkursion nach Ellingen und auf die Wülzburg
bei Weissenburg am 30. August 2003

Die Deutschordensresidenz Ellingen
Die Deutschordensresidenz Ellingen
Mit dem Vorsatz, die „kleine Schwester“ der Plassenburg, die hoch über der ehemaligen Reichsstadt Weißenburg gelegene Festung Wülzburg zu erkunden, folgte eine Gruppe Heimatinteressierter der Einladung des Arbeitskreises für Heimatforschung Marktleuthen zu einer Exkursion nach Mittelfranken. Zunächst stand jedoch ein Besuch im Deutschordensschloss Ellingen auf dem Programm, wo bis zur Säkularisation der Landkomtur der Ballei Franken des Deutschen Ordens residierte. Schon im 13. Jahrhundert betrieb der Deutsche Orden in Ellingen ein Hospital. Die an der Stelle des heutigen Schlosses gestandene mittelalterliche Wasserburg war im Bundesständischen Krieg von unserem Markgrafen Albrecht Alcibiades zerstört worden. Der nachfolgende Rennaissance-Bau musste in den Jahren 1718 bis 1721 dem heutigen, unter dem Landkomtur Karl Heinrich Freiherrn v. Hornstein errichteten Barockschloss weichen. Nach der Säkularisation schenkte der Bayernkönig Max I. Joseph das Schloss 1815 seinem Feldherrn Carl Philipp v. Wrede.
In der Gruft des Landkomturs von Hornstein
In der Gruft des Landkomturs von Hornstein
Die Führung durch das Schloss begann in der zweiten Etage, wo sich die Wohn- und Repräsentationsräume, wie auch der Festsaal befanden. Fürst Wrede hatte die Räume im frühen 19. Jahrhundert im Stil des Klassizismus einrichten lassen. Im ersten Obergeschoss finden sich teilweise noch barocke Interieurs mit herrlichen Wandteppichen aus dem 17. Jahrhundert. Das Erdgeschoss beherbergte früher Wirtschaftsräumlichkeiten; heute ist hier die Museumskasse sowie eine recht interessante Ausstellung über den Deutschen Orden in Preußen untergebracht.
Vor dem Mittagessen hatten wir noch etwas Zeit und so wurde ein Stadtbummel unternommen. Von den starken Zerstörungen, die Ellingen wegen seiner Funktion als Straßenknotenpunkt im 2. Weltkrieg zu erleiden hatte, ist heute glücklicherweise nicht mehr viel zu merken. Das Städtchen wurde nach dem historischen Vorbild wieder aufgebaut. Dank Pfarrer Kreuzer, der so freundlich war, uns in die Gruft einzulassen, hatten wir sogar die Ehre, dem Landkomtur v. Hornstein, dem Bauherrn des herrlichen Schlosses, selbst ins Angesicht schauen zu dürfen. Er liegt, noch heute würdevoll in den Ordensmantel gehüllt, mit mächtigen Reiterstiefeln und dem blanken Schwert in der Hand, als Mumie in einem Glassarg unter seiner Gruftkapelle hinter der Pfarrkirche.
Zum Mittagessen im Ellinger Schlossgasthof beehrte uns dann auch Herr Dr. Daniel Burger, der am Nachmittag die Leitung unserer Gruppe übernommen hatte. Nachdem wir uns gestärkt hatten, trieb uns der Tatendrang weiter durch Weissenburg, wo uns unser Führer einige Informationen zur Geschichte der ehemals freien Reichsstadt gab, zum Karlsgraben oder zur Fossa Karolina. Wie die Reichsannalen berichten beabsichtigte der Frankenkönig Karl der Große an dieser Stelle zwischen den damals schiffbaren Flüssen Rednitz (Radantia) und Altmühl (Alcmona) einen 2 Meilen (ca. 3 Kilometer) langen und 300 Fuß (ca. 90 Meter) breiten Graben ziehen zu lassen um Rhein und Donau, Europas größte Ströme, mit einer künstlichen Wasserstraße zu verbinden. Im Dezember 793 musste das Bauprojekt jedoch wieder eingestellt werden, da ungünstige Bodenverhältnisse und starke Regenfälle den Aushub des Tages in der Nacht wieder abrutschen ließen und ungünstige politische Verhältnisse den Weiterbau verhinderten.
Der Karlsgraben
Der Karlsgraben
Die Reste des Karlsgrabens präsentieren sich im 867 erstmals als Groba bezeichneten Dorf Graben in Form eines etwa 30 Meter breiten, langgestreckten Weihers. Besonders die noch heute bis zu 6,50 Meter hohen Wälle zu beiden Seiten des Grabens zeugen von der enormen Leistung der Menschen vor mehr als 1200 Jahren. Ein 1910 angelegtes Grabenprofil zeigt, dass der Kanal zur Zeit Karls des Großen mehr als 8 Meter tief in das Gelände eingeschnitten worden war. Der Aushub wurde beiderseits als Wall aufgeschüttet. Der Verlauf des Kanals lässt sich heute noch rund 2,5 Kilometer weit verfolgen.
Gegen 14.30 Uhr erreichten wir dann das Hauptziel unserer Fahrt, die Festung Wülzburg. Als riesiges Fünfeck angelegt, zählt die Wülzburg zu den wenigen, nach italienischen Festungsbau-Grundsätzen ausgebauten Festungsanlagen in Bayern. Dr. Burger, der sich in seiner Dissertation mit den Festungen der Hohenzollern im 16. Jahrhundert beschäftigt und zu diesem Thema im Verlag des Vereins Freunde der Plassenburg in Kulmbach auch ein Buch veröffentlicht hat, erläuterte uns auf dem Parkplatz vor dem Festungstor zunächst einiges grundsätzliches zum Festungsbau und zur Geschichte der Wülzburg. Markgraf Georg Friedrich zu Brandenburg, der nicht allein das Fürstentum Ansbach von seinem Vater ererbt hatte, sondern seit dem Tod des kriegerischen Markgrafen Albrecht Alcibiades im Jahr 1557 auch im Fürstentum Kulmbach-Bayreuth herrschte, hatte bereits unmittelbar nach seinem dortigen Regierungsantritt den Wiederaufbau der 1554 kriegszerstörten Plassenburg beginnen lassen.
Nachdem Markgraf Georg Friedrich 1578 als Vormund seines Vetters, des geistig behinderten Herzogs Albrecht Friedrich von Preußen, mit dem Herzogtum Preußen belehnt worden war, residierte und regierte der Fürst längere Zeit im ostpreußischen Königsberg. Als er 1586 nach sechs langen Jahren endlich von seinem zweiten Aufenthalt in Preußen wieder nach Franken zurückkehrte, waren die Bauarbeiten an der Kulmbacher Plassenburg schon sehr weit fortgeschritten. Die Schlossgebäude um den Schönen Hof waren bereits fertiggestellt und nur an den Festungsanlagen wurde noch fleißig gebaut. Zwei Jahre später fasste der Fürst den
Die Bastionen der Wülzburg
Die Bastionen der Wülzburg
Beschluss, auch in seinem Fürstentum Brandenburg-Ansbach eine gewaltige Landesfestung zu errichten. Als Bauplatz wählte er das hoch auf einer Bergkuppe gelegene ehemalige, 1523 unter markgräflich brandenburgischer Vogtei in ein Chorherrnstift umgewandelte Benediktinerkloster Wülzburg. Trotz der Proteste der in der nächsten Nachbarschaft gelegenen Reichsstadt Weißenburg, des Hochstifts Eichstätt, der Deutschordenskommende Ellingen und der Herrschaft Pappenheim, wurde im Sommer 1588 mit 300 Arbeitern der gewaltige Bau in Angriff genommen; zum Tode Georg Friedrichs 1603 war er schon weitgehend fertiggestellt. Sein Nachfolger, der Ansbacher Markgraf Joachim Ernst, verzichtete auf einen Weiterbau des ursprünglich fünfflügelig geplanten Schlossgebäudes, der mit seinen doppelgeschossigen Arkaden etwas an den Schönen Hof der Plassenburg erinnert. Die beiden fertig gestellten
Im Hof der Wülzburg
Im Hof der Wülzburg
Schlossflügel mit der unterkellerten Schlosskirche und der sehenswerten Reittreppe, über deren Portal das Wappen Georg Friedrichs prangt, brannten im Dreißigjährigen Krieg ab, weil der Köchin beim Braten von Fischen das Fett in der Pfanne anbrannte und der Festungskommandant persönlich versuchte, das Feuer, das auf den ungefegten Kamin übergegriffen hatte, mit Wasser zu löschen! Durch das aufwändig gestaltete Festungstor betraten wir nun das Innere der Wülzburg. Ein Schild am Torflügel erinnert noch daran, daß die Festung im 1. Weltkrieg Kriegsgefangenenlager war. Der wohl berühmteste Insasse dieses Lagers war der spätere fränzösische Staatspräsident Charles de Gaulle, der 1918 hier mehrere Monate interniert war. Vom ursprünglich fünfflügelig geplanten Schlossbau im Inneren der Festung sind nur zwei Flügel tatsächlich ausgeführt worden. Unser nächstes Ziel war der im westlichen Schlossflügel untergebrachte Tiefe Brunnen der Wülzburg, der mit seiner heutigen Tiefe von 133,5 Metern zu den sieben tiefsten Burg- und Festungsbrunnen im deutschsprachigen Raum zählt. Neben der ingenieurtechnischen Leistung des Brunnenbaues selbst, gibt es in der Brunnenstube noch eine originale Schöpfeinrichtung aus dem 17. Jahrhundert zu bewundern, mit der es zwei Brunnenknechten, die - ähnlich wie Hamster - in einem Laufrad von 4,50 Metern Innendurchmesser laufen mussten, gelang pro Stunde etwa 100 bis 120 Liter Wasser aus dem Brunnen zu fördern. Dass bei dieser stündlichen Fördermenge bei größerer Besatzungsstärke Versorgungsengpässe fast vorprogrammiert waren, lässt sich erahnen. Zudem lieferte der Brunnen nicht unendlich viel Wasser. Bei der Belagerung im Jahr 1631 beklagte ein Offizier, dass der Wasserstand im Brunnen auf 60 Zentimeter abgesunken sei und das verbliebene Nass dumpf und modrig schmecke. Um sich vom Tiefen Brunnen unabhängig zu machen, wurden schon im 18. Jahrhundert an verschiedenen Stellen der Wülzburg Zisternen eingebaut. Jedoch erst der Einbau eines richtiggehenden Zisternensystems brachte im 19. Jahrhundert die Lösung dieses Problems. Wir verließen die Brunnenstube und standen gleich der sogenannten Ludwigszisterne gegenüber. Dieser in den Jahren 1827 bis 1831 nach Plänen und unter der Leitung des Genie-Hauptmanns Franz von Hoermann errichtete Wassersammler war damals nicht nur die größte Zisterne auf der Wülzburg, sondern in ganz Bayern. Über Rinnen wurde das Regenwasser von den Dachflächen der beiden Schlossflügel auf die mit Kalksteinplatten belegte Plattform der Ludwigszisterne geleitet. Durch die mörtellosen Fugen zwischen den Platten läuft das Wasser auf eine aus kleinen Kalksteinbrocken, Flußkieseln und Dachziegelstücken bestehende Filterschicht. Darunter befinden sich wasserdicht verfugte Dolomitplatten, die sich von beiden Seiten der Plattform zur Mitte hin senken. Auf denselben läuft das gereinigte Wasser zu einem aus unvermörtelten Quadern bestehenden überdeckten Kanal. Durch dessen feine Fugen sickert das Wasser ins Innere desselben und wird in zwei etwa 3 Meter tiefe Sinkkästen zu beiden Seiten des Kanals geleitet. Von dort fließt das Wasser in die beiden unterirdischen tonnengewölbten Tanks der Zisterne, die jeweils 19,6 Meter lang und 7,3 Meter breit sind und eine Scheitelhöhe von 7,40 Meter besitzen. Von dort konnte das Wasser sowohl mit Schwengelpumpen als auch durch "Schöpfbrunnen" nach oben gefördert werden. Von der Ludwigszisterne führte uns Dr. Burger durch ein Treppenhaus im Bereich der Bastion "Kaltes Eck" auf die als "Kurtine" bezeichnete Wehrmauer zwischen der Bastion "Kaltes Eck" und "Roßmühle". Über eine steile Rampe über die früher auch die Geschütze nach oben geschafft werden mussten, erklommen wir dann das "Kavalier" der Bastion Roßmühle. Hier genossen wir einen wunderschönen Ausblick in Richtung Ellingen. Dr. Burger berichtete uns von einem der ersten Besuche des Markgrafen Georg Friedrich im Sommer 1588 auf der Baustelle, wo er den Hauptmann von Haydeckh fragte, ob man nicht von hier dem Hause Ellingen - also dem dortigen Deutschordensschloss - eine Kugel zum Gruß schicken könne. Darauf antwortete der Gefragte "von einer solchen höch kendte man mit einer notschlangen",
Das Römerkastell Sablonetum
Das Römerkastell Sablonetum
also mit einem mittelschweren Geschütz mit einem Kugelgewicht von etwa 16 bis 18 Pfund, "eine ganze meilen wegs raichen". Eine deutsche Landmeile entsprach dabei einer Entfernung von immerhin rund 7, 5 Kilometern, Ellingen aber liegt von der Wülzburg nur etwa 5 Kilometer entfernt! Nun ging es wieder die Rampe nach unten und hinein in die finsteren Gewölbe im Kavalier der Bastion Roßmühle. Durch mehrere Bogenfenster konnten wir auch einen Blick in die riesige Kuppelhalle werfen, in der früher die von Pferden angetriebenen Mahlwerke zur Herstellung von Getreidemehl und Schießpulver untergebracht waren. Nun ging es über die Kurtine hinüber zur Bastion Krebs. Hier wurden die schon teilweise eingestürzten Gewölbedecken des Kavaliers in den letzten Jahren durch Betonkonstruktionen wieder geschlossen. Über eine weitere steile, mit unebenem Kalksteinpflaster belegte Rampe ging es wieder hinunter in den Hof und von dort in das dunkle Innenleben der eigentlichen Bastion Krebs. Die riesigen feuchten Hallen, in die sich von außen kein Lichtstrahl verirrt, dienten früher dem Strafvollzug. Zwei Nischen auf der Nordwestseite der Gewölbehalle wurden im 18. oder 19. Jahrhundert abgemauert um als Gefängniszellen zu dienen. Die vordere der beiden Zellen besitzt einen Vorraum, von dem die eigentliche Zelle durch eine weitere Mauer abgeteilt ist. Diese zweite Wand besaß nur eine hochgelegene Schiebetür, die von unten nur mit einer Leiter erreichbar war. Der Kommunikation mit dem Gefangenen dienten drei kleine Wandschlitze in Erdgeschoßhöhe. Eine weitere Variante dieses Prinzips der extremen Abschließung zeigt die andere Zelle: Hier war der Gefangene in den
Bauinschrift von 182 n. Chr.
Dr. Burger erklärt die Bauinschrift von 182 n. Chr.
aus kräftigen Bohlen gezimmerten, frei im Raum stehenden "Eichenkasten" gesperrt. Der Boden dieses "Kastens", der als erstes vielleicht mit einem überdimensionalen Schweinestall zu vergleichen ist, ist als Gitter ausgebildet, so daß die Fäkalien des Gefangenen, Speisereste etc. einfach hindurch fielen. Nach einem Blick auf diese schrecklichen Gefängnisse waren wir froh, als uns wieder warme Sonnenstrahlen berührten.
Zum Abschluss des Tages stand noch die Erkundung des Römerkastells Sablonetum auf dem Programm. Dieses liegt ungefähr 1,5 km östlich von Ellingen, etwa 2 km vom römischen Grenzwall, dem Limes entfernt, der sich auf der Alphochfläche noch heute gut verfolgen lässt. In den Jahren 1980-1982 wurde das einst mit ca. 100 aus den rätischen Hilfstruppen ausgewählten Gardesoldaten des Statthalters besetzte Kastell grossflächig ausgegraben. Dabei wurde ein Teil der steinernen Umfassungsmauer mit dem Nordtor und dem Nordwest-Wachturm eindrucksvoll rekonstruiert. Eine am Südtor entdeckte Bauinschrift berichtet von dem im Jahr 182 n. Chr. unter dem Kaiser Commodus erfolgten Umbau der Wehranlage in Stein.
Nach diesem ereignisreichen Nachmittag waren wir nun hungrig und durstig geworden. Um diesem Zustand Abhilfe zu verschaffen, ging es schließlich per Bus zur „Frankenfarm“ nach Himmelkron“, wo ein ereignisreicher Tag bei Bier und Brotzeit im Brauereigasthof Kraus einen zünftigen Ausklang nahm.

Harald Stark


Die Exkursionsteilnehmer von 2003 Exkursionsteilnehmer von 2003



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Rußbuttenträger an der Egerbrücke in Marktleuthen