Arbeitskreis für Heimatforschung Marktleuthen

 

Erzabbau und Erzverarbeitung im Erzgebirge

 
Wie Mitte September zu erwarten war, begleitete herrliches - sonniges aber nicht zu warmes - Altweibersommerwetter die diesjährige Busexkursion der Marktleuthener Heimatforscher. Technische Denkmäler des Bergbaus und der Erzverhüttung im sächsischen Erzgebirge hatten die beiden Vorstände Harald Stark und Erwin Purucker als Reiseziele herausgesucht. Weil auch viele andere Vereine an diesem Wochenende Ausflugsfahrten angeboten hatten, war der Zuspruch heuer nicht so groß, wie in den vergangenen Jahren. Mit 29 Mitreisenden wurde die Fahrt am Sonntag Morgen angetreten.

Im Siebenschlehener Pochwerk

Pünktlich um 10.00 Uhr erreichten wir das Siebenschlehener Pochwerk in Schneeberg, wo wir von Herrn Schrutek, unserem Führer, und seinem Kollegen bereits erwartet wurden. Eine der ehemaligen Kobaltkammern, in denen früher das aufbereitete Erz gelagert wurde, ist heute zu einem gemütlichen Empfangs-, Kassen- und Verkaufsraum umgestaltet. Herr Schrutek, der als Geologe lange in Bergbau gearbeitet hat, führte uns hier in die Geschichte der Bergstadt Schneeberg und des dortigen Bergbaues ein. Er zeigte uns Proben der im Umkreis von Schneeberg geförderten Erze und erläuterte auch die daraus hergestellten Produkte. 1453 war erstmals ein Bergwerk "uff dem Sneberge bie Zcwickau" erwähnt worden, aus dem Zinn-, Eisen- und Kupfererz gefördert wurde. Um 1470 wurde dann ein ergiebiger Silbergang entdeckt; aus einer Scharung - einer Kreuzung von rund einem Dutzend verschiedener Silbergänge - konnten damals rund 400 Zentner hochwertiges Silbererz gewonnen werden. 1481 wurden der infolge dieses "Berggeschreys" gewachsenen Bergbausiedlung die Privilegien einer freien Bergstadt verliehen. Zwei Jahre später wurde in Schneeberg eine eigene Münzstätte errichtet, damit das hier gefundene Silber gleich vor Ort vermünzt werden konnte.
Mit dem Silbererz wurde auch ähnlich aussehendes Kobalterz aus dem Berg gefördert. Da es sich natürlich nicht zu Silber verarbeiten ließ, und beim Erhitzen wegen seines Arsengehalts giftige Gase ausströmten, wurde es für verhext gehalten. Man glaubte, Kobolde hätten das kostbare Silber aufgefressen und an seiner Stelle die wertlosen silbererzfarbigen Steine ausgeschieden. Diese wurden auf die Abraumhalden geworfen. Immer wieder wurden jedoch Versuche mit den auf den Halden befindlichen Gesteinen angestellt; schließlich waren sie mit großer Mühe aus dem Berg befördert worden und man wollte auch für sie eine gewinnbringende Verwendung finden. Der aus Nürnberg stammende Peter Weidenhammer (1480 - 1540), ein Schneeberger Bergbauunternehmer, etablierte hier um 1520 die Blaufarbenherstellung aus Kobalt. Auch die aus den Schneeberger Gruben geförderten Wismut- und Nickelerze fanden bald Verwendung und Absatz.
Nun begaben wir uns auf einen Rundgang durch die verschiedenen Gebäude des Pochwerkes. In einem gegenüber liegenden Blockhaus konnten wir eine "Ausschlagstube" besichtigen. Hier wurden gediegene Erze, "Pochgänge", in denen Erz und taubes Gestein so fein miteinander verwachsen waren, dass sie nicht von Hand getrennt werden konnten, und das wertlose Gestein mit Hämmern voneinander getrennt. Das Gebäude des eigentliches Pochwerkes stammt aus dem Jahr 1752/53. Hier befinden sich die in einem Rahmen aufgestellten Pochstempel. Diese rund 4 Meter hohen Kanthölzer sind unten mit schweren eisernen "Pochschuhen" versehen und wiegen etwa 70 Kilogramm. Die durch ein etwa 4 Meter im Durchmesser messendes oberschlächtiges Wasserrad angetriebene Pochwelle hebt diese Pochstempel um etwa 30 cm an, worauf diese frei in den eisernen Pochtrog fallen. Die dazwischen liegenden Erzbrocken werden so nach und nach zu einem Gesteinsmehl zermalmt. Beim Trockenpochwerk musste dieses Gesteinsmehl zunächst in einem Setzfass geschlämmt werden. Beim Nasspochwerk wurde in den Pochtrog fließendes Wasser eingeleitet. Das leichtere Gesteinsmehl wurde so vom schwereren Erzgrus getrennt. Die erzhaltige Schlämme wurde anschließend auf sogenannte Stoßherde gegeben, wo durch Bewegung und fließendes Wasser das taube Gestein vom Erz getrennt wurde.
Nachdem wir uns auch die Museumsräume im Obergeschoss des Pochwerkes besehen hatten, in dem Bücher, Dokumente, Pläne, Modelle und verschiedenste Werkzeuge, Kleidungsstücke und Ausrüstungsgegenstände die langjährige und vielfältige Bergbaugeschichte der Region von den Anfängen bis in die Tage des Uranbergbaus durch die Wismut-AG, bedankten wir uns bei unseren Führern für den informativen und kurzweilig gestalteten Vormittag und fuhren zum Mittagessen in die nahe Waldschänke Lindenau.

Das Siebenschlehener Pochwerk
Gesteinsprobe mit Silbererzgang
Mit Hämmern wurde in der Ausschlaghütte das Erz vom tauben Gestein getrennt. Die hier fotografierte Unterlage besteht aus Eisen!
Das Pochwerk
Pochschuhe und Pochtrog
Setzfass
Glauchherd (vorne) und Langstossher (hinten) zur Trennung des Erzes und des tauben Gesteins in der Pochschlämme
Darstellung von der Erzwäsche auf dem Glauchherd und im Setzfass auf um um 1520 entstandenen Annaberger Bergaltar

Schaubergwerk "Frisch Glück" in Johanngeorgenstadt

Nach gut halbstündiger Busfahrt, vorbei an mehreren schön restaurierten kursächsischen Postmeilensäulen und über den Pass des 1019 Meter (ü. N. N.) hohen Auersberges, erreichten wir das Schaubergwerk "Frisch Glück" in Johanngeorgenstadt, wo uns unsere Führerin schon vor dem "Huthaus" erwartete. Mit gelben Schutzhelmen ausgerüstet, gingen wir in die "Kaue", einem Holzhaus vor dem Mundloch des Stollens, wo sich die Bergleute vor dem Einfahren umkleideten und zu beten pflegten und nach der Schicht noch etwas verweilen konnten, bevor sie aus dem konstant 8 Grad kühlen Bergwerk hinaus in die Sommerhitze oder auch strenge Winterkälte gingen.
Das Silberbergwerk "Frisch Glück" war 1671 aufgefahren worden. In der Glanzzeit des Abbaus zwischen 1684 bis 1730 konnten hier Erze mit einem Reinsilbergehalt von insgesamt 9.200 Kilogramm gefördert werden. Rund 170 Meter gingen wir in den Berg, bis vor uns der die tieferen Sohlen des Bergwerks erschließende Kunst- und Treibeschacht gähnte. Um 1780 war er mit 175 Metern Tiefe der tiefste Schacht im Fastenberg. Als nach 1945 die WISMUT AG hier nach Uran schürfen ließ, wurde dieser Schacht auf eine Tiefe von rund 300 Metern gebracht. Er verläuft nicht senkrecht sondern schräg; das Erz wurde mittels eines auf Schienen laufenden "Schrägaufzuges" aus der Tiefe geholt. Die Bergleute stiegen lange Zeit auf Leitern in die Tiefe. Um 1950 waren rund 80.000 Arbeiter (!) in Johanngeorgenstadt im Uranbergbau beschäftigt; die Einwohnerzahl stieg von 6.500 Seelen im Jahr 1945 auf 42.000 um 1950 an. Durch den Bergbau kam es gerade im Bereich der historischen Altstadt von Johanngeorgenstadt zu Bodensetzungen, die zum Abbruch fast der gesamten alten Bausubstanz führte. Allein ein Wohnhaus und die Kirche blieben am Marktplatz stehen. Bis zur Einstellung des Bergbaues im Jahr 1958 lieferte Johanngeorgenstadt einige 10.000 Tonnen Uranerze an die Sowjetunion.

Die Stadtgründer wollten nicht wieder katholisch werden

Schon im Spätmittelalter wurde in der um das heutige Johanngeorgenstadt gelegenen und zur Herrschaft Schwarzenberg gehörenden Gebirgslandschaft Bergbau betrieben. Nach dem Dreißigjährigen Krieg flohen im Dezember 1653 insgesamt 39 lutherische Familien aus der nahe gelegenen böhmischen Bergstadt Platten, die dort mit militärischen Mitteln zum katholischen Glauben bekehrt werden sollten, über die Grenze in das evangelische Sachsen. Diesen 39 Bergmannsfamilien erlaubte Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen in einem Privileg vom 23. Januar 1654 die Gründung einer Bergstadt am Fastenberg, unweit der sächsisch-böhmischen Grenze, die seinen Namen tragen sollte. Zwei Jahre später wurden in Johanngeorgenstadt dann schon vier Bergwerksgruben betrieben, aus denen Eisen- und Zinnerze gefördert wurden. Im Laufe der Zeit wurden vor allem von dem nach dem Hammerherren Caspar Wittig benannten Wittigstal aus zahlreiche Stollen in den Fastenberg getrieben, darunter auch die 1671 aufgefahrene Grube „Frisch Glück", das heutige Besucherbergwerk.

Mit „Bergeisen und Schlägel" — von der Mühsal der Arbeit

Zur Zeit der Bergwerksgründung arbeiteten sich die Bergleute noch im spärlichen Licht von Öllampen mit Bergeisen und Schlägel durch das harte Gestein; die Gänge hatten nur die unbedingt notwendige Größe und Kinder mussten den Transport des Erzes aus den Abbauorten zum Förderschacht übernehmen. Auch zur Zeit des Silberbergbaus waren die Bergleute den Strahlungen des überall vorhandenen, damals in seiner Wirkung noch unbekannten Uranerzes ausgesetzt, was zu Krebs und anderen schweren Erkrankungen führte. So wundert es niemanden, dass die Bergleute hier früher kaum über 30 Jahre alt wurden.
Später erleichterte das Schwarzpulver und seit 1897 Dynamit die Arbeit der Bergleute. Die Sprenglöcher wurden zunächst mit Hammer und Bohrmeißel in den Berg geschlagen. Seit dem frühen 20. Jahrhundert kamen dann druckluftbetriebene Bohrmeißel zum Einsatz. Ein solches Gerät wurde uns von unserer Führerin in Aktion gezeigt und der ohrenbetäubende Lärm dieses einzelnen Gerätes ließ uns die Arbeitsverhältnisse erahnen, die sich ergaben, wenn mehrere solcher Drucklufthämmer sowie die Ventilation der Bewetterung in Betrieb waren. Das bei den Sprengungen gewonnene Material musste mit Schaufeln in die auf Schienen laufenden Förderwägen geladen werden; nach dem 2. Weltkrieg half bei dieser Arbeit ein ebenfalls druckluftbetriebener Überkopflader, den wir ebenfalls in Aktion erleben durften.
Zur Bewältigung des Grubenwassers wurde 1696 eine Wasserkunst in Betrieb genommen, deren hölzerne Saugpumpen durch ein 8,50 Meter hohes Wasserrad angetrieben wurden. In den Jahren 1840 bis 1842 trieben die Bergleute dann unweit des Kunst- und Treibeschachtes eine 27 Meter tiefe Radstube für zwei riesige Wasserräder in den Berg, mit deren Hilfe bis 1910 das Grubenwasser aus den Stollen gepumpt wurde.
Im ehemaligen Betriebsraum für die riesige Seilwinde, die das Erz zu Zeiten der WISMUT AG aus dem Kunst- und Treibeschacht förderte, sind nun Bänke und Tische aufgestellt. Hier werden heute "Mettenschichten" für Touristen angeboten. Früher hieß die letzte Schicht vor dem Weihnachtsfest die "Mettenschicht", sie wurde mit einem besinnlichen und später wohl feucht-fröhlich werdenden Beisammensein in der Kaue beendet.
Von dieser tiefsten Stelle des Besucherbergwerks, die rund 50 Meter unterhalb des ehemaligen Marktplatzes von Johanngeorgenstadt liegt, machten wir uns wieder an die Ausfahrt. Wie schön war es doch, als wir nach unserem etwa einstündigen Ausflug unter Tage wieder das warme Tageslicht zu spüren bekamen.


Kaue und Huthaus des Besucherbergwerks "Frisch Glück" in Johanngeorgenstadt
Hölzerner Grubenhunt und Gedenkstein aus dem Jahr 1671
Vor dem Einfahren in das Besucherbergwerk
Niedriger Stollen im alten Teil des Bergwerkes
 
Pressluftbetriebene Bohrmeißel
Blick in die 27 Meter tiefe Radstube
Pressluftbetriebene Abbauhämmer

Der Johanngeorgenstädter Pferdegöpel

Unter Tage hatten wir ein schwaches Bild der schweren Bergmannsarbeiten früherer Zeiten erhaschen können. Nicht nur das Erz, sondern auch das taube Gestein, das beim Aushauen der Stollen und Schächte anfiel, musste aus dem Berg geschafft werden. Die älteste und wohl mühsamste Form der Schachtförderung war wohl die meist von zwei Haspelknechten bewegte Handhaspel. Die schon im Mittelalter immer ausgefeilter werdende Bergbautechnik brachte aber schon bald mit Wasserkraft oder Pferdegöpel betriebene Fördermaschinen hervor, mit denen größere Erzmengen aus größeren Tiefen gefördert werden konnten, als mit einer einfachen Handhaspel. Der Chemnitzer Arzt und Bürgermeister Georg Agricola hat sie in seinem 1556 erschienenen Werk De re metallica libri XII zum ersten Mal ausführlich beschrieben.
Bis 1947 stand in Johanngeorgenstadt der letzte original erhaltene Pferdegöpel Sachsens. 1917 war mit ihm zum letzten Mal Erz gefördert worden, seit 1920 kümmerte sich der Landesverein Sächsischer Heimatschutz um seinen Erhalt. Für die WISMUT-AG war die Einmaligkeit dieses technischen Denkmals hingegen kein Argument für dessen Erhaltung; 1947/38 wurde der Pferdegöpel abgebrochen.
Dank alter Pläne, die sich im Freiberger Bergarchiv erhalten haben, und den vom Landesverein Sächsischer Heimatschutz erstellten Dokumentationen, gelang es 1993 den Pferdegöpel zu rekonstruieren. Nicht nur ein einmaliges Technikdenkmal feierte seine Auferstehung; auch langsam in Vergessenheit geratende Zimmermannskunst wurde damit wieder in Erinnerung gerufen und in die Gegenwart gerettet. Heute ist der Johanngeorgenstädter Pferdegöpel eine Touristenattraktion geworden.
Wir durften erleben, wie sich die von zwei Pferden gezogenen Förderkästen durch den schräg angelegten, heute nur noch 17 Meter tiefen Förderschacht bewegten. Früher waren 13 Umdrehungen der Seiltrommeln an der Göpelwelle notwendig, um eine Erztonne aus dem 140 Meter tiefen Schacht zu ziehen. Die kunstvolle Ausmauerung des Förderschachts stammt aus dem Jahr 1749.
Nach der Besichtigung des Pferdegöpels hatten wir noch Gelegenheit im daneben gelegenen Huthaus einen Film über den Wiederaufbau des Göpels im Jahr 1993 zu sehen. Gegen 18.00 Uhr endete der Ausflug in die Bergbauvergangenheit und unser Busfahrer brachte uns auf einer wunderschöne Route durch das Erzgebirge und das Vogtland zurück ins Fichtelgebirge.

Harald Stark

Aussenansicht des Pferdegöpels
Göpelwelle mit Seiltrommeln
In der Göpelhalle
Im Treibehaus
Die Schachtausmauerung von 1749


 Weitere Exkursionen des Arbeitskreises für Heimatforschung Marktleuthen im Fichtelgebirge
Rußbuttenträger an der Egerbrücke in Marktleuthen