Arbeitskreis für Heimatforschung Marktleuthen

Totentanz im Fichtelgebirge
Der schwarze Tod (die Pest) in der Regionalgeschichte


Bericht über einen Lichtbildervortrag von
 Adrian Roßner aus Zell im Fichtelgebirge

am 8. Februar 2018 im Gasthof zum Goldenen Löwen in Marktleuthen
Einen weiten Kreis von Asien über die Halbinsel Krim und Genua bis in unsere Heimat zog Adrian Roßner im Gewölbe des Gasthofs zum Goldenen Löwen in Marktleuthen. Er beschrieb den Weg des Pesterregers, der ab dem 14. Jahrhundert in mehreren Wellen Europa heimsuchte. Die sogenannte Justinianische Pest von 541 bis 770 spielte bei uns keine Rolle, weil das Fichtelgebirge zu dieser Zeit kaum besiedelt war. Auch in der Luther-Bibel ist die Pest schon erwähnt, und zwar in 1. Samuel, Kapitel 5, Vers 6: »Die Hand des Herrn ... schlug Aschdod und sein Gebiet mit der Beulenpest.« (aktuelle katholische Einheitsübersetzung). Das müsste gut 1000 Jahre vor Christus gewesen sein. Der Referent zeigte sich jedoch überzeugt, dass Martin Luther hier bei der Übersetzung der "Diagnose" Schwierigkeiten hatte und einfach die schrecklichste Krankheit einsetzte, die er kannte. So ist in einer evangelischen Bibel nach einer Übersetzung von 1912 nur von "bösen Beulen" die Rede. In Mitteleuropa sind die großen Pestwellen allerdings nicht nur durch Schriftquellen, sondern auch durch archäologische Befunde nachgewiesen.

Zu uns kam die erste große Epidemie jedenfalls um 1348, im späten Mittelalter, begünstigt und eingeschleppt durch den beginnenden Fernhandel. Das erste Auftreten der Pest in Europa ist im Jahr 1339 am Yssykköl-See im heutigen Kirgisien (Kirgisistan) in einer Gemeinde der Assyrischen Kirche dokumentiert, der Ursprung lag aber sicher weiter im Osten, in Asien. Als 1346 die Tataren, die Goldene Horde, die Handelsstadt und Hafenstadt Kaffa (Caffa, heute Feodossija) auf der Halbinsel Krim belagerten, brach in ihrem Heer die Pest aus. Die Toten sollen sie mit Katapulten über die Stadtmauern von Kaffa geschleudert haben, quasi als "biologische Kriegsführung". Eine kühne These, denn um von der ansteckenden Wirkung der Toten zu wissen, hätten diese östlichen Völker dem medizinischen Stand der Zeit weit voraus sein müssen. Jedenfalls breitete sich die Krankheit durch den intensiven Fernhandel von Kaffa nach Venedig und Genua aus, von wo sie sowohl über den Seeweg über England, als auch nach und nach über den Landweg nach Mitteleuropa kam, wo sie wegen der größeren Bevölkerungsdichte und der schlechten hygienischen Zustände in den Städten auf fruchtbaren Boden fiel. Die schlimmsten Pestjahre liegen zwischen 1348 bis 1386. Auch während des Dreißigjährigen Krieges, um 1633, gab es bei uns erneut schreckliche Pestwellen.

In Mitteleuropa schrieben Ärzte die Ursache der Krankheit um diese Zeit abwechselnd einer Störung der Harmonie oder einer Verklumpung der vier Körpersäfte Blut, Weißschleim, Gelbgalle und Schwarzgalle zu. Sie beobachteten die Schwellung der Lymphknoten, die sich zu schwarzen Beulen entwickelten. Daher der Name Beulenpest oder Schwarzer Tod. Der weit verbreitete Volksglaube jedoch sah die Pest als Vorbote der Apokalypse und gab ungläubigen Sündern, Geistern und Dämonen, und überhaupt "andersartigen", wie Zigeunern und Juden die Schuld, weil sie den Zorn Gottes heraufbeschworen, oder einer ungünstigen Stellung der Planeten. Je nach Verdacht sollten Buße und Selbstgeißelung, aber auch sogenannte Schutzbriefe oder Himmelsbriefe schützen. Auch feuchte Ausdünstungen, sogenannte Miasmen, hatte man in Verdacht, weshalb Pestärzte die typischen Schnabelmasken trugen, in denen duftende Kräuter die Krankheit fernhalten sollten.

Kulturgeschichte des Klimas - Wolfgang Behringer So entstanden Sagen vom Pesthauch, von denen Roßner ein Beispiel aus  Weißenstadt vortrug. Dort war es allerdings ein "Wölkchen", das durch die Straßen zog und die Pest verbreitete. Man lockte dieses Wölkchen in ein Haus an der Eger und mauerte den Eingang zu. Als man nach 150 Jahren das Häuschen aus Unwissenheit abbrach, kam das Wölkchen frei und die Pest brach erneut aus.

Bis in unsere Zeit wundern sich die Historiker, warum zwischen den einzelnen Pestwellen der Schwarze Tod auch plötzlich wieder verschwand, um später wieder aufzutauchen, 541 bis 770, 1347 bis 1386, 1607–1635. Die Weißenstädter waren jedenfalls nicht schuld, da die Zeiträume länger als 150 Jahre sind. Der Historiker  Wolfgang Behringer stellt in seinem Buch  Kulturgeschichte des Klimas die Theorie auf, dass die großen Epidemien bzw. Pandemien immer dann auftraten, wenn die Menschen und ihre Immunabwehr geschwächt waren. Dies geschah oft durch Missernten im Gefolge von Jahren mit feuchtkalter Witterung, die das Getreide auf den Feldern verschimmeln ließ. Schon bei der ersten Pestwelle um 1348 gab es vorher die ersten Vorboten der Kleinen Eiszeit. Temperatureinbrüche mit feuchtkalten Sommern machten es den Menschen schwer, die Winter zu überleben. Die körperlichen Abwehrkräfte waren geschwächt und so hatten die Pesterreger leichtes Spiel. Bei der zweiten großen Epidemie 1607–1635 hatte die Kleine Eiszeit schon begonnen und der Dreißigjährige Krieg machte den Menschen zusätzlich zu schaffen.

Der eigentliche Krankheitserreger, das Bakterium Yersinia pestis wurde erst 1894 von Alexandre Yersin entdeckt. Verbreitet wurde er vor allem von Flöhen, die auf Ratten lebten. Wie bei vielen Infektionskrankheiten ist die Pest während der Inkubationszeit schon ansteckend, so dass infizierte genug Zeit haben, den Erreger unbewusst zu verbreiten. Da die Bakterien mit Penicillin und anderen Antibiotika gut bekämpft werden können, blieben größere Epidemien später aus.
Die Pest im Fichtelgebirge - Adrian Roßner
Totentanz im Fichtelgebirge – Der schwarze Tod in der Regionalgeschichte hieß der temperamentvolle Vortrag von Adrian Roßner im Gasthof Goldener Löwe in Marktleuthen, Bericht von Erwin Purucker


 Die Pest als Folge von Überbevölkerung und Klimaschwankungen
 
 
Rußbuttenträger an der Egerbrücke in Marktleuthen